Immer wieder werde ich gefragt, wie man mit Trauernden sprechen sollte, was man fragen kann und darf und was man besser nicht sagen sollte. Inwieweit können wir trauernden Menschen helfen und was
wäre übergriffig? Natürlich gibt es hierauf keine pauschale Antwort. Aber ich kann Euch gerne ein paar Empfehlungen aus eigener Erfahrung und aus den vielen Gesprächen mit anderen
Betroffenen geben.
LIEBER NICHT:
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Floskeln à la "Wer weiß, wofür es gut ist", "Der Tod gehört zum Leben dazu", "Alles im Leben hat einen Sinn", etc. spielen die Situation und die Gefühle der
betroffenen Person herunter. Trauernde, die mit Floskeln abgespeist werden, fühlen sich unverstanden und bekommen den Eindruck, ihr Schmerz und ihre Trauer seien nicht angemessen.
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Spirituelle/religiöse Ansichten à la "Sie/er ist jetzt an eine besseren Ort", "Sie/er ist immer bei Euch", "Gott hat sie/ihn zu sich genommen" können
verstörend wirken, insbesondere auf Kinder. Sie suggerieren, dass der Tod nichts Schlimmes, sondern womöglich ein höheres Ziel
ist. Diese Perspektive hilft jedoch in der konkreten Trauer wenig bzw. kann sich eine trauernde Person dadurch nicht ernst genommen fühlen. Etwas Anderes ist es, wenn die trauernde
Person von selbst fragt, was Du über den Tod denkst und darüber in den Austausch gehen möchte. Wenn die Initiative von der trauernden Person kommt, kann eine positive Sicht bzgl. des Todes je
nach Situation auch beruhigend wirken ("ich bin mir sicher, dass es der verstorbenen Person jetzt gut geht, da wo sie ist"). Wichtig: Niemals ungefragt die eigene Sicht auf den Tod
herausposaunen!
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Mit eigenen Erfahrungen vergleichen: "Also bei mir war das ja damals so...". Auch wenn Du meinst, Du weißt genau, was die trauernde Person empfindet, bitte vergiss
nicht, jeder Trauerfall ist einzigartig und Trauernde sind (zurecht) sehr empfindlich! Der Vergleich mit der eigenen Erfahrung kann ggf. die Situation verharmlosen oder dramatisieren, kann
die trauernde Person überfordern und schlicht zu viel sein. Auch hier ist es natürlich etwas anderes, wenn konkret nach der eigenen Erfahrung gefragt wird. Ansonsten gilt Zurückhaltung.
Trauernde haben in der Regel erstmal sowieso keine Kapazität für die Geschichten und Befindlichkeiten anderer.
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Voyeuristische Neugier: „Wie hat er sich denn das Leben genommen?“ wäre ein typisches Beispiel für deplatzierte Sensationsgier. Auch wenn Details spannend für Euch
sind und ggf. eine Erzählung komplettieren würden, solltet Ihr Euch immer fragen, in welche Situation ihr Euer Gegenüber bringt und welche Gefühle mit solch einer Frage ausgelöst werden
können. Ein respektvolles „Darf ich fragen, woran die Person gestorben ist?“ sollte das Höchstmaß an Neugier darstellen und ist auch nicht in jeder Situation uneingeschränkt
angebracht.
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Ich-Bezogenheit: „Ich könnte das ja nicht!“, „Wenn mir das passieren würde, würde ich mich umbringen!“ sind Sätze, die ausschließlich etwas über die Person aussagen, die sie von
sich gibt. Falls das Motiv dahinter Bewunderung für die vermeintliche Stärke der trauernden Person sein soll, ist das keine rücksichtsvolle Art der Mitteilung. Bedenkt bitte auch immer: Die
trauernde Person ist unfreiwillig in dieser schweren Lage. Dass sie nach außen hin stark wirkt und ihren Alltag gut meistert, sagt nichts darüber aus, wie es ihr wirklich geht.
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Was wäre wenn-Szenarien: "Warum hat er sich denn nicht früher untersuchen lassen?", "Habt Ihr denn nichts gemerkt?", "Ach hätten wir mal besser aufgepasst!"...
Gedanken wie diese sind nachvollziehbar. Im Trauerfall versucht das menschliche Gehirn verzweifelt
Kontrolle über eine Situation zu erlangen, gegen die wir machtlos sind. Was wäre wenn-Szenarien geben uns für einen Moment das Gefühl, wenn wir nur eine Stellschraube
verstellt hätten, wäre alles anders gekommen, Du kannst Dir sicher sein, dass die trauernde Person sich diese oder ähnliche Gedanken bereits zuhauf selbst macht oder gemacht hat. Du
kannst Dir vielleicht vorstellen, wie zermürbend Vorwürfe und schlechtes Gewissen sind, besonders in einer Situation, in der sich nichts mehr rückgängig machen lässt. Du hilfst also
niemandem mit Deinen Gedankenspielen, schon gar nicht der trauernden Person.
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Bewerten und beurteilen: "Sei froh, dass er so schnell tot war und nicht lange leiden musste!" oder "Zum Glück war sie schon alt und hatte ihr Leben schon
hinter sich". Was lieb gemeint ist, kann in den Ohren der trauernden Person wie Hohn klingen (Worüber soll ich mich bitte freuen? Was an der Situation soll denn gut sein?). Ich weiß (auch
von mir selbst), dass wir Menschen dazu neigen, schreckliche Situationen schönreden zu wollen, aber der Tod ist wirklich ein Minenfeld, bei dem ihr Euch um Kopf und Kragen
reden könnt.
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Kleinreden und verharmlosen à la: "Du bist doch noch jung, Du findest eine*n neue*n Partner*in! oder "Du kannst ja noch ein Kind bekommen!". Was an diesen
aufmunternd gemeinten Äußerungen schlimm ist? Stell Dir einfach mal vor, jemand sagt zu Dir: "Hey , wenn Dein Kind / Dein*e Partner*in stirbt, ist doch kein Problem, Du kannst Dir ja wen
Neues suchen!" Na? Merkst Du was? ;-)
Ideen für einen respektvollen Umgang mit Trauernden
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Du begegnest einer Person, die gerade erst einen nahestehenden Menschen verloren hat. Mein Tipp wäre, einfach authentisch zu sein. Es reicht ein einfacher Satz wie
z.B.: "Ich habe gehört, was passiert ist und es tut mir wahnsinnig leid!" oder „Das XY gestorben ist, berührt mich sehr. Ich denke an Euch.“
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Du bist überfordert und hast Angst, etwas Falsches zu sagen, dann sei ehrlich: "Ich bin total geschockt. Mir fehlen die Worte." Ein Satz wie dieser ist im
Zweifel respektvoller als sich in Floskeln zu verstricken (siehe oben).
Übrigens: Eine Trauerkarte ist immer eine liebe Geste und bedarf nicht vieler Worte.
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Du möchtest gerne helfen, aber nicht übergriffig sein? Hilfreich wäre ein konkretes Angebot, das nichts von der trauernden Person fordert: "Wenn es für Dich in
Ordnung ist, würde ich Euch am Wochenende gerne etwas zu Essen vorbeibringen" oder "ich kann Dein Kind die ganze nächste Woche abholen und zur Kita bringen, passt Dir
das?"
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Du trauerst selbst mit und/oder möchtest gerne aktiv etwas tun? Trau Dich und mach einen Vorschlag: "Ich würde gerne ein paar Worte bei der Trauerfeier sprechen, wäre Euch
das recht?" oder "Ich habe ein schönes Blumengesteck gekauft, darf ich es auf das Grab legen?" Die meisten Trauernden freuen sich über echte Anteilnahme und
liebevolle Gesten (auch noch nach Jahren!).
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Du gehst zu einer Beerdigung oder schreibst eine Trauerkarte und möchtest empathisch kondolieren? Was z.B. gut ankommt, ist eine persönliche unverfängliche Anekdote, die an die
verstorbene Person erinnert, z.B. „Ich werde immer daran denken, wie ich mit XY ohne einen Cent Geld in der Tasche durch Thailand geirrt bin. Am Ende war es der beste Urlaub aller
Zeiten“. Auch das Hervorheben einer liebgewonnenen Eigenschaft der verstorbenen Person wie „XY war immer für mich da, wenn ich etwas auf dem Herzen hatte. Seine weisen Worte
werden mir fehlen“ ist eine schöne Möglichkeit, Anteil zu nehmen, Sollte es sich bei der verstorbenen Person um eine nicht nahestehende Person handeln, reicht auch ein schlichtes
„Unsere Gedanken sind bei Ihnen und Ihrer Familie“.
Übrigens: Ein kleines Geschenk für die Trauernden kann auch eine liebevolle Anteilnahme sein. Ein Buch für die Kinder oder ein Massagegutschein für
die Partner*innen kommen bestimmt gut an.
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Du hast das Gefühl, einer trauernden Person geht es extrem schlecht und sie braucht (professionelle) Hilfe? Hier ist Feingefühl nötig. Du könntest die Person in einem ruhigen
Moment ansprechen und z.B. sagen: "Ich kenne eine tolle Trauerbegleiterin/Therapeutin/Organisation, die mir selbst/einer Freundin sehr gut geholfen hat. Wenn Du Interesse hast,
schicke ich Dir sehr gerne ihre Nummer!"
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Der Todesfall liegt eine Zeit zurück und Du möchtest signalisieren, dass Du die Trauer der anderen Person noch auf dem Schirm hast. In diesem Fall ist ein
ernstgemeintes "Wie geht es Dir heute?" oder auch "Wie geht es Dir im Moment mit Deiner Trauer?" eine empathische Einladung zum Gespräch. Was ich unbedingt empfehlen würde,
ist, Dir den Geburtstag und Todestag der verstorbenen Person zu notieren. Eine Whatsapp wie "Ich denke heute an Dich" reicht völlig aus und zeigt der trauernden Person, dass
sie nicht alleine ist und dass die verstorbenen Personen nicht vergessen wurde.
Wichtig ist mir noch zu sagen, dass es trotz allem kein Richtig oder Falsch gibt. Trauernde untereinander haben oft eine sehr sarkastische und/oder humoristische Art über den Tod zu
reden, der allerdings nur ihnen vorbehalten ist, community-intern sozusagen. Als außenstehende Person ist wahrscheinlich die beste Strategie, sich erst einmal vorsichtig heranzutasten und
wahrzunehmen, was von der Person selbst kommt. Redet sie von sich aus über ihre Trauer? Über welche Bereiche spricht sie, was spart sie aus? Wie reagiert sie, wenn andere nachfragen? Und im
Zweifel gilt immer: einfach authentisch sein!
Du befindest Dich aktuell in der Situation, eine trauernde Familie oder Person zu begleiten und fühlst Dich unsicher? Gerne stehe ich Dir im Rahmen meines Angebots begleitend zur Seite, kontaktier mich gern!