Wie trauern kinder?

 

Das Todesverständnis von Kindern unterscheidet sich - je nach Alter - wesentlich von dem der Erwachsenen. So können etwa Kinder bis zum Schulalter die Endgültigkeit des Todes nicht begreifen ("Kommt Mama wieder zurück?") und schreiben Toten z.B. Bedürfnisse zu: „Dem Papa ist aber jetzt bestimmt kalt da unten“. Ältere Kinder begreifen nach und nach, dass der Tod irreversibel und somit endgültig ist und dass alle Lebewesen von Geburt und Tod betroffen sind. 

Ein besonderes Merkmal von Kindertrauer ist die Sprunghaftigkeit ihrer Gefühlsäußerungen. So kann ein Kind von jetzt auf gleich tieftraurig, im nächsten Moment aber wieder gut gelaunt sein. Dieser Mechanismus wirkt auf Errwachsene oft befremdlich. Für Kinder ist er jedoch sehr hilfreich. Sie bekommen auf diese Art nicht nur Pausen von der Trauer, sondern sammeln in unbeschwerten Phasen auch Kraft für den nächsten Traurigkeitsschub. 

 

Wie man mit Kindern über den Tod sprechen kann: Da kleinere Kinder Gesagtes meist wortwörtlich nehmen, können Sätze wie „Oma ist eingeschlafen“ zu schwerwiegenden Missverständissen führen: z.B. kann dadurch Angst vor dem Einschlafen entstehen ("Schlaf bedeutet Tod") oder aber die Annahme: "wenn Oma nur schläft, wacht sie auch wieder auf." Auch können blumige, scheinbar kindgerechte Bilder wie "Mama sitzt jetzt auf einer Wolke und sieht Dich" zu unangenehmen Gefühlen führen ("einerseits ist Mama weg und kommt nie wieder und anderseits beobachtet sie mich die ganze Zeit"). Besonders fatal sind Äußerungen, die das Kind in eine Warteposition versetzen („Mama ist auf einer langen Reise", "Oma ist von uns gegangen"). Gängige, auch häufig in Kinderbüchern vorkommende Aussagen wie „Papa wohnt jetzt im Himmel" können Kinder verwirrt zurücklassen: Wie kann es möglich sein, dass jemand gleich­zeitig unten im Grab und oben Himmel ist? Problematisch ist auch der gut gemeinte Spruch (oft von Außenstehenden): „Der liebe Gott hat sie zu sich genommen“ oder gar "Sie ist jetzt an einem besseren Ort". Der Schmerz um den Verlust der verstorbenen Person kann durch den Trost, dass es ihr woanders gut geht, nicht aufgehoben werden. Im Gegenteil: Das Kind kann Schuldgefühle oder Gewissensbisse entwickeln ("warum geht es Mama woanders besser als bei uns? Was haben wir falsch gemacht?").

 

Die Art und Weise, wie einem Kind der Tod eines Menschen mitgeteilt wird, trägt entscheidend zu einem gesunden Trauerprozess bei. Wichtig sind eine gute, sichere Atmosphäre und Formulierungen, die der Realität entsprechen und gleichzeitig verständlich sind. 

Genau wie Erwachsene brauchen Kinder die klare Mitteilung über den Tod des nahestehenden, geliebten Menschen. So schmerzlich es für Eltern ist, dem Kind den Tod eines Menschen mitzuteilen, so wichtig ist es für das Kind, dass es diese Nachricht direkt, sofort und klar erhält. Wenn es rechtzeitig und wahrheitsgemäß informiert wird, spürt es, dass es ernst genommen wird. Wenn es spät oder falsch benachrichtigt wird, fühlt sich das Kind allein gelassen und verunsichert und entwickelt Fantasien, die häufig noch belastender sind als die Realität.

Generell sollten wir Kindern gegenüber ehrlich sein, sie aber auch nicht mit Details überfrachten. Am besten stellen wir ihnen Informationen häppchenweise zur Verfügung und fragen daraufhin, ob sie es verstanden haben und noch mehr wissen möchten. Kinder haben meist ein gutes Gespür dafür, was sie vertragen können und was sie überfordern würde.

 

Ein Beispiel um dem Kind den konkreten Todesfall zu erklären: "Papa ist leider gestorben. Als er auf einem Spaziergang war, hat sein Herz ganz plötzlich aufgehört zu schlagen. Das ging so schnell, dass Papa von einem Moment auf den anderen hingefallen ist und dann auch schon gestorben ist. Es kam zwar schnell ein Krankenwagen und Menschen haben versucht, sein Herz nochmal zum Schlagen zu bringen, aber das hat leider nicht geklappt. Wenn das Herz nicht mehr schlägt, kann man es leider nicht mehr reparieren. Meistens hört das Herz erst auf zu schlagen, wenn Menschen sehr alt sind. Aber selten geschieht es auch bei jüngeren Leuten, so wie bei Papa."

 

Sollen Kinder beim Begräbnis dabei sein?

Das Begräbnis ist die Möglichkeit, offiziell und im Kreise von Verwandten und Bekannten gemeinsam Abschied zu nehmen. Nicht dabei zu sein, ist ein Versäumnis, das nie mehr nachgeholt werden kann. Kinder, die am gesamten Sterbe- und Trauerprozess beteiligt sind, haben die Möglichkeit, aktiv Abschied zu nehmen und ihre Trauer durch Handlungen und Rituale zu verarbeiten.

Nimmt ein Kind am Begräbnis teil, so muss darauf geachtet werden, dass es gut auf den Ablauf und auf die Gefühle der Trauergäste vorbereitet wird. Wichtig für Kinder ist, dass sie durch eine vertraute erwachsene Person, die selbst nicht zu sehr von der eigenen Trauer betroffen ist, während des Begräbnisses begleitet werden (dies kann auch eine bereits bekannte Trauerbegleiterin sein). Kinder können die Begräbniszeremonie auch mitgestalten: Sie können als Grabbeigaben Bilder malen oder etwas basteln. Jugendliche können z. B. auch ein Gedicht oder einen Text formulieren. Im Vorfeld können auch Sarg und Urne gemeinsam bemalt werden.

 

Thema Erd- oder Feuerbestattung

Für Kinder gehört sehr viel Abstraktionsfähigkeit dazu, sich einen verstorbenen Menschen komprimiert in einer Urne vorzustellen. Der Sarg hat für Kinder etwas Greifbareres, Realistischeres. Auch ist die Verbrennung des geliebten Menschen im Zweifel ein recht gewaltvolles Szenario in Kinderaugen und sollte sensibel begleitet werden. 

 

Thema Aufbahrung

Mit allen Sinnen wahrzunehmen, dass aus einem lebendigen Körper ein toter Körper geworden ist, kann maßgeblich dabei helfen, den Tod zu realisieren und anzuerkennen. Das Kind kann sich davon überzeugen, dass die Person wirklich gestorben ist und dies nicht „nur gesagt wurde“. Oft hört man nach der letzten Begegnung mit dem verstorbenen Menschen den Satz „jetzt glaube ich wirklich, dass sie bzw. er tot ist“.

 

Charta für trauernde Kinder und Jugendliche

nach Winston’s Wish (englische Hilfsorganisation für trauernde Familien):

 

1 Angemessene Information

Trauernde Kinder haben das Recht, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen sowie Informationen, die deutlich erklären, was passiert ist, weshalb dies so war und was als Nächstes geschehen wird.

 

2 Mit einbezogen sein

Trauernde Kinder sollten gefragt werden, ob sie mit einbezogen werden möchten in wichtige Entscheidungen, die auch auf ihr Leben Auswirkungen haben werden – wie etwa Planung der Beerdigung, Gestaltung der Jahrestage.

 

3 Die Familie mit einbeziehen

Trauernde Kinder sollten Unterstützung in der Art erhalten, dass die Familie mit einbezogen wird und gleichzeitig die Vertraulichkeit für das Kind gewahrt bleibt.

 

4 Mit anderen Betroffenen zusammenkommen

Trauernden Kindern kann es gut tun, wenn sie Gelegenheit erhalten, anderen Kindern zu begegnen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

 

5 Erzählen, was passiert ist

Trauernde Kinder haben das Recht, ihre Geschichte auf verschiedenste Art zu erzählen. Sie haben das Recht, dass diese Geschichte angehört, gelesen oder angeschaut wird von den Menschen, die ihnen wichtig sind. 

 

6 Gefühle ausdrücken

Trauernde Kinder sollten unbefangen alle Gefühle ausdrücken können, die mit der Trauer verbunden sind, zum Beispiel Wut, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle und Angst. Sie sollten dabei unterstützt werden, dies in angemessener Weise zu tun.

 

7 Nicht schuld daran

Trauernde Kinder sollten nach einem Verlust wissen, dass sie nicht verantwortlich für den Tod sind und keine Schuld daran haben.

 

8 Die gewohnte Routine beibehalten

Trauernden Kindern sollte es möglich sein, ihren früher geliebten Aktivitäten und Interessen auch weiterhin nachzugehen.

 

9 Reaktionen der Schule bzw. Kita

Trauernde Kinder können es als sehr wohltuend empfinden, eine angemessene und positive Reaktion von ihrer Schule bzw. Kita zu erhalten

 

10 Erinnerung

Trauernde Kinder haben das Recht, die verstorbene Person für den Rest ihres Lebens in Erinnerung zu behalten, wenn sie dies möchten. Dazu kann gehören, dass man gute und schlechte Erinnerungen noch einmal lebendig werden lässt, so dass die Person ein selbstverständlicher Bestandteil der weiteren Lebensgeschichte des Kindes wird.

 

Quelle: https://neuwieder-hospiz.de/2021/05/05/zehn-rechte-fuer-trauernde-kinder-und-jugendliche/

 

Ausgehend von meiner Erfahrung und Ausbildung möchte ich noch folgende Punkte hinzufügen:

 

11 Ablenkung

Kinder brauchen Orte, an denen Alltag und Normalität erlebt werden können, wo Kinder unbelastet von der Schwere der Trauer ihre anderen Bedürfnisse ausleben und ‚Trauerpausen’ einlegen können. Die allgegenwärtige Trauer im eigenen Zuhause kann erdrückend auf das Kind wirken. Auch entwickeln Kinder oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie in der Gegenwart Trauernder lachen oder fröhlich sind.

 

12 Authentizität

Wenn Kinder erleben, dass die Erwachsenen in ihrem nahen Umfeld weinen, können auch sie sich eher Tränen erlauben. Es ist somit anzuraten, dass die Erwachsenen ihre Trauer authentisch zeigen, mit allen Gefühlen, die dazu gehören. Vermieden werden sollte jedoch allzu heftige Verzweiflung in Gegenwart des Kindes um keine Existenzängste auszulösen. Ausgesprochene Gedanken wie „ich weiß nicht, wie wir das allein schaffen sollen“ sind naheliegend, würden das Kind aber in große Unsicherheit versetzen. Authentisch und transparent ist es, das Kind in die Gefühlswelt miteinzubeziehen: „Schau mal, ich fange momentan ganz oft an zu weinen, weil mich so viel an Mama erinnert! Auch, wenn jetzt Vieles ganz anders wird und bestimmt auch nicht einfach – wir halten zusammen und schaffen es gemeinsam!" 

 

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer eine Trauersituation mit Kindern ist (lest dazu auch gerne meinen Blog.)

Gerne unterstütze ich Euch im Rahmen meiner Trauerbegleitung im Umgang mit den Kindern, auch in der Akutsituation.